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09.10.2007: Deutschland - Streit um Kampfhundegesetz geht weiter
Einige Versicherungen haben Rasselisten

Magdeburg. Morgen tagen die Koalitionäre von CDU und SPD erneut, um das seit einem Jahr anhaltende Gezerre um ein Kampfhundegesetz bald mit einem akzeptablen Ergebnis zu beenden. Die Stimmung ist aufgeheizt, da Sachsen-Anhalt als einziges Land noch kein derartiges Gesetz hat, die CDU sich gegen eine Rasseliste – wie sie in 13 Ländern existiert – sträubt, Tierschützer Druck gegen zu scharfe Regelungen machen und zugleich Polizisten zu immer rabiateren Mitteln greifen, um beißwütige Hunde niederzustrecken. Am Sonntag erschossen Polizisten in Wernigerode einen Boxer-Staffordshire-Mischling mit einer kleinen Maschinenpistole. Das Tier hatte sein Herrchen in die Arme gebissen. Der Mann liegt schwer verletzt in der Klinik. Erst Ende September hatte ein Kampfhundemischling in Magdeburg eine Frau in den Bauch gebissen und schwer verletzt. Die Polizei setzte den Hund mit einem Pistolenschuss außer Gefecht.

Dass muskelbepackte Rassen wie Pitbullterrier oder Staffordshire ungeheuere Beißkraft und Robustheit entwickeln, erlebte die Polizei auf erschreckende Weise vor sieben Jahren in Hamburg : Erst nach elf Treffern ließen zwei Kampfhunde von ihrem Opfer, einem sechsjährigen Jungen ab. Das Kind starb.
Die SPD will deshalb elf Rassen mit hohem Gefahrenpotenzial auf eine Rasseliste setzen. Unabhängig davon, ob das einzelne Tier beißwütig oder brav ist, sollen deren Halter gezwungen werden, ihren Tieren Maulkorb und Leine anzulegen. Die SPD betont das Argument der Vorsorge. Innen-Staatssekretär Rüdiger Erben ( SPD ) : " Wir müssen immer fragen : Was passiert, wenn etwas passiert ? Es ist doch ein Unterschied, ob ein Dackel oder ein Pitbull zubeißt. Ein Gesetz, das erst greift, wenn ein Hund schon einmal zugebissen hat, ist kein taugliches Gesetz. "

Die CDU – voran deren Innenpolitiker – lehnt ein prophylaktisches rassebezogenes Gesetz ab. Ihre Sicht : Gefährlich ist nicht eine Hunderasse, sondern der verantwortungslose Halter, der seinen Hund schlecht erzogen hat. Der CDU zur Seite steht die FDP. Die Liberalen wiesen die Regierung gestern zurecht, dass nun der Landtag und nicht die Exekutive die Entscheidungsgewalt habe. FDP-Innenpolitiker Guido Kosmehl meinte, man solle dem Innenressort " einen Maulkorb verpassen ". " Offenbar ist es für die Herren Hövelmann ( Minister ) und Erben nicht zu verkraften, dass sie für ihre Position keine parlamentarische Mehrheit fi nden. "

Einig ist sich die Koalition immerhin insoweit, als dass alle Hundehalter eine Haftpfl ichtversicherung abschließen müssen. Die SPD hofft, dass das Land über diesen Weg doch eine Art Rasseliste bekommt – keine politische, sondern eine marktwirtschaftlich bestimmte. Versicherungsunternehmen differenzieren ihre Prämien gewöhnlich nach dem Gefahrenpotenzial. So wie die Tierversicherung zum Beispiel. Sie bietet ihren Normaltarif ( etwa 69 Euro pro Jahr bei 3 Millionen Euro Schaden ) nicht für alle Hundehalter an. Für acht Rassen und ihre Kreuzungen – vom Dobermann bis zum Bullterrier – benötigen ihre Halter Sonderverträge. Die Allianz ist im Vergleich teurer ( etwa 112 Euro ), unterscheidet aber nicht nach Rassen.

Zur besseren Kontrolle sollen künftig alle Halter verpfl ichtet werden, ihren Hund per Chip kennzeichnen zu lassen. Allerdings wäre eine Kontrolle nur bei einem landesweiten zentralen Hunderegister zuverlässig, wendet die SPD ein. Und das gibt es nicht.

Die CDU kam der SPD so weit entgegen, als dass " Hunde, bei denen eine Gefährlichkeit vermutet wird ", künftig einen Wesenstest absolvieren müssen und deren Halter eine Erlaubnis brauchen, einen " gefährlichen Hund " zu führen. Als gefährlich sollen Hunde gelten, die gebissen haben – und jene Tiere, die auf Angriffslust, Schärfe und Kampfbereitschaft " über das natürliche Maß hinaus " gezüchtet wurden. Aber wer stellt derlei Eigenschaften wann fest ? Soll der verschreckte Nachbar das Ordnungsamt informieren ? Das sei eine der offenen Fragen, bekennt CDU-Fraktionsvize Holger Stahlknecht. Er weiß nur eines : " Wir brauchen schnell eine politische Entscheidung. "

Quelle: http://www.volksstimme.de/vsm/nachrichten/sachsen_anhalt/?em_cnt=478391